Dorothee Wiegand
Redakteurin bei c‘t
"Lernen wird niemals ohne Lehrer funktionieren, aber digitale Helfer sorgen für Aha-Erlebnisse - und für Spaß beim Lernen."
Ihr erstes Computerspiel?
Eine kleine Handelssimulation auf der Kommandozeile: Man flog Waren von einem Planeten zum nächsten und die Preise änderten sich ständig… Nachhaltigeren Eindruck hat ein paar Jahre später eine Reitsimulation hinterlassen, die meine Tochter eine Weile spielte. Manchmal habe ich mich abends spät an den Rechner gesetzt und bin auch mal durch die tollen Landschaften galoppiert.
Wie war Ihr Eindruck? Wie hat Sie das geprägt?
Beim Weltraumhandel fand ich verblüffend, wie eindringlich mir der Zusammenhang zwischen Angebot, Nachfrage und Preis vermittelt wurde. Das Reitspiel habe ich als typische heile Welt in Erinnerung - toll, um einfach mal abzuschalten.
Welchen Anteil nehmen Computer- und Konsolenspiele heute in Ihrem Leben ein?
Die Dinge, über die ich schreibe, haben mit Computern, aber nur selten mit Spielen zu tun. Und weil das einen großen Teil meiner Zeit ausfüllt, versuche ich in der Freizeit eher ein Gegengewicht zu schaffen und bin gern draußen, treffe Freunde, mache Sport. Videogames spielen da keine Rolle. Mit einer Ausnahme: Pokémon Go spiele ich nach wie vor gern. Aber das lässt sich mit Spazierengehen in der Natur ja auch super kombinieren.
Worin besteht zum einen Ihrer Meinung nach die Faszination, zum anderen die Qualität eines Spiels?
Da geht es mir beim Beurteilen eines Videospiels wie bei Büchern, Filmen oder Theaterstücken: Eine gute, phantasievolle Handlung ist mir das Wichtigste. Bilder, Ton und Musik sollten dazu passen und helfen, die Geschichte zu erzählen. Billige Effekte entwerten das Ganze dagegen nur. Anders als bei Büchern oder Filmen bieten Games die Möglichkeit, dass die Spieler:Innen die Handlung mitgestalten können. Wenn ein Spiel immer wieder neue Varianten zu bieten hat, bleibt es lange spannend.
Was möchten Sie Eltern zu diesem Thema auf den Weg geben?
Je jünger ein Kind ist, desto mehr braucht es klare Regeln. Eltern haben hier eine schwierige und verantwortungsvolle Rolle, der sie nur gerecht werden können, wenn sie sich ernsthaft dafür interessieren, was ihr Kind am Computer und an der Konsole so spannend und faszinierend findet. Eltern können und sollen klar Stellung beziehen. Sie dürfen beispielsweise sagen „Ich mag dieses Spiel nicht. Da ist soviel Gewalt, das macht mir Angst.“ Je älter das Kind ist, desto weniger greifen Ge- und Verbote. Im Idealfall können Eltern nun darauf vertrauen, dass ihr Kind weiß, was ihm guttut und was nicht und verantwortungsvolle Entscheidungen trifft. Dafür muss man im Kindergarten- und Grundschulalter die Grundlage schaffen.
Was raten Sie Kindern in Umgang mit der digitalen Welt?
Ganz wichtig finde ich einen kritischen, selbstbewussten Umgang mit Informationen im Internet und mit sozialen Medien. Längst nicht alles, was man im Internet findet, stammt aus vertrauenswürdigen Quellen. Es ist wichtig, sich immer zu fragen: Wer hat das geschrieben? Mit welcher Absicht? Wie kann ich prüfen, ob das wirklich stimmt? Wo finde ich verlässliche Informationen zu diesem Thema? Von dem, was andere in sozialen Medien posten darf man sich nicht unter Druck setzen lassen. Anders herum ist es ganz wichtig, sich vor einem eigenen Post zu fragen: Ist es okay, diesen Text/dieses Foto öffentlich zu posten? Oder verletze ich damit die Privatsphäre einer anderen Person? Nicht umsonst heißt es „Das Internet vergisst nichts“.
Welche Chancen stecken im Digitalen für die Bildung?
Apps, Lernprogramme, Simulationen, Serious Games - viele digitale Produkte können Bildungsprozesse sinnvoll unterstützen. So können Kopfrechnen- und Vokabeltrainer das notwendige, aber langweilige Pauken ein bisschen abwechslungsreicher gestalten. Sie passen sich im Tempo dem Lernenden an, haben endlos Geduld und helfen beim Fremdsprachenlernen sogar mit perfekter Aussprache. Einfache Simulationen verdeutlichen Zusammenhänge oft viel besser als ein dröger Text im Lehrbuch - das gilt für Vulkanausbrüche genauso wie für chemische Reaktionen oder physikalische Gesetze. Serious Games sind meist komplexe Simulationen, die Schüler in den Regenwald oder ins Mittelalter versetzen können. Sie machen Situationen erfahrbar, die man in der Realität nicht erleben kann. Lernen wird niemals ohne Lehrer funktionieren, aber digitale Helfer sorgen für Aha-Erlebnisse - und für Spaß beim Lernen.