FEIBEL.DE - Büro für Kindermedien, Berlin

Interview mit Thomas Feibel
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Thomas Feibel
"Wir haben es heute mit einer Elterngeneration zu tun, die selbst mit Games aufgewachsen sind. Dennoch haben manche Eltern das Gefühl, nur schwer mithalten zu können wenn sie etwa bei Instagram oder Tiktok nicht mehr verstehen, was ihre Kinder da machen. Aber keine Angst, es gibt keine speziellen Erziehungstricks für die digitale Welt. Unser Kompass bei den Erziehungsregeln sollten immer unsere Werte sein, nicht die Technik."

Sie sind Initiator des Kindersoftwarepreises TOMMI. Bitte stellen Sie sich und Ihre Institution in wenigen Worten vor.

Als freier Journalist leite ich das Büro für Kindermedien in Berlin. Ich arbeite unter anderem für "Der Spiegel", "Tagesspiegel", "c‘t“, aber auch für Kindermagazine wie „Dein Spiegel“ und „Stafette“. Zum Thema Kinder und Digitales schreibe ich seit vielen Jahren Bücher für Erwachsene („Jetzt pack doch mal das Handy weg“, Ullstein) und halte dazu Vorträge und Fortbildungen. Darüber hinaus verfasse ich auch Kinder- und Jugendbücher zu Cybermobbing und anderen Herausforderungen in der digitalen Welt. Wenn ich als Autor Lesungen und Workshops zu Netz- und Smartphone-Themen in Schulen halte, gestehen mir Schüler von der 4. bis zu 11. Klasse oft eine Sache, die sie ihren Eltern wahrscheinlich nicht anvertrauen: Obwohl sie auf der einerseits superglücklich mit ihren Smartphones sind, wird es ihnen andererseits oft auch selbst zu viel. Auch sie wünschen sich Wege der Selbstregulation -  die aber nicht gleich die große Keule „Handyverbot“ bedeuten.

Welche Aufgaben übernehmen Sie beim TOMMI?

Als Initiator bin ich hauptverantwortlich für die Organisation, Gestaltung, den Ablauf und die Kommunikation des TOMMI zuständig. Gleichzeitig habe ich den Vorsitz der Fachjury. In unserem „Büro für Kindermedien“ laufen alle Fäden zusammen. Von hier aus werden die Einreichungen der Publisher, die Partner, Bibliotheken und die  Fach- und Kinderjury betreut und die Abläufe koordiniert.

Welche Rolle haben Ihrer Meinung nach Computerspiele in der heutigen Kindheit?

Spielen ist prinzipiell etwas Gutes. Spiele sind wichtig und bereichern die Kindheit. Wenn wir aber mehr Brettspiele mit unseren Kindern spielen würden, wären ihnen digitale Spiele nicht ganz so wichtig. Weil uns Erwachsenen oft und anderen Kinder als Spielpartner manchmal die Zeit dazu fehlt, springen Videospiele in diese Bresche. Sie haben immer Zeit und erlauben Kindern Dinge zu tun, die sie im echten Leben nicht dürfen: Autorennen fahren, Länder besiedeln, Familien gründen oder kurz: die Welt retten. Aber es hat sich etwas verändert: Seitdem Kinder Smartphones besitzen, ist der Spielkonsum nur schwer zu reglementieren. Kinder entscheiden jetzt selbst, was, wann, wo und wie lange sie spielen wolle. Sie selbst  können sich nur schwer entziehen. Ein Mobilgerät lässt sich von Elternseite schlechter kontrollieren als eine Konsole, die fest im Wohnzimmer steht. Nicht immer geraten Kinder dabei an Spiele, die für ihr Alter geeignet sind. Um so wichtiger ist es, sie auch in diesem Bereich zu schützen und zu begleiten.

Welche gängigen Probleme haben Eltern und Pädagogen?

Als der TOMMI im Jahr 2002 startete, hatten wir nur eine Kategorie: PC-Spiele. Heute gibt es noch weitere Kategorien wie Konsole, App, Elektronisches Spielzeug und Bildung. Für Eltern und Pädagogen ist es nicht leicht, einen Überblick über digitale Entwicklungen und den Spielemarkt zu behalten. Manche Appspiele zocken Kinder ab, andere machen Druck, in dem sie Nachrichten schicken, um sie wieder zurück ins Spiel zu holen. Und Kinder finden bei Spielen oft kein Ende, weil diese Spiele oft auch gar kein klassisches Ende haben. Damit müssen wir uns als Erwachsene auskennen.

Welche Lösungen sehen Sie für diese Probleme?

Wir haben es heute mit einer Elterngeneration zu tun, die selbst mit Games aufgewachsen sind. Dennoch haben manche Eltern das Gefühl, nur schwer mithalten zu können wenn sie etwa bei Instagram oder Tiktok nicht mehr verstehen, was ihre Kinder da machen. Aber keine Angst, es gibt keine speziellen Erziehungstricks für die digitale Welt. Unser Kompass bei den Erziehungsregeln sollten immer unsere Werte sein, nicht die Technik.

Welche Intention verfolgen Sie als Initiator beim TOMMI?

Beim TOMMI gibt es zwei Jurygremien: Eine Fachjury aus renommierten Fachjournalisten, Pädagogen und Wissenschaftler- und eine Kinderjury. Kinder haben beim TOMMI das letzte Wort. Da darf sich kein Erwachsener einmischen. Wir sehen den TOMMI als Partizipationsprojekt. Nicht immer ist nach Abstimmung alle Beteiligten jedes Kind mit dem Ergebnis zufrieden. Das stärkt das Demokratiebewusstsein. Außerdem geht es beim TOMMI ja nicht nur ums reine Spielen, sondern ums Testen. Diese Form der Medienkritik nehmen Kinder sehr ernst. Sie diskutieren, argumentieren, bewerten und formulieren. Da geht es in den Kinder- und Jugendbibliotheken auch mal heiß her. Und natürlich sollen die Nominierten und Sieger beim TOMMI Eltern, Großeltern und Pädagogen Orientierung bieten.

Die Kategorie „Bildung“ ist seit 2020 neu. Wie kam es dazu?

Wir haben schon immer auch Angebote in den Wettbewerb mitaufgenommen, die informieren, erklären oder beim Üben des Schulstoffs unterstützen. Entsprechende Produkte konnten von Anfang an beim TOMMI eingereicht werden, aber hatten neben den Games nicht immer gute Chancen. Die eigene Kategorie „Bildung“ war überfällig. Außerdem haben sich die Angebote selbst durch neue Technik verändert: Augmented Reality, Virtual Reality und Robotik sind dabei nur drei Beispiele, die auch für Thema Lernen eine enorme Weiterentwicklung bedeuten.

Sie arbeiten beim TOMMI mit Bibliotheken zusammen- warum?

Es gibt keinen besseren Partner für die Medienbildung als Öffentliche Bibliotheken. Schulen und Eltern müssen die Bibliotheken viel stärker in der Medienerziehung mitdenken, das würde sie entlasten. Denn Bibliotheken haben den Ort, die Technik, die Medien und aufgeschlossene Menschen, die sich damit auskennen. Viele Bibliotheken bieten 3Drucker, VR-Brillen, Plotter und und und. Viele verleihen zudem Medienkoffer für die Arbeit in Kindergärten und Schulen.

Ihre Vision von Kind und Computer?

Seit der Verbreitung des Smartphones ist es besonders wichtig, dass Kinder die Geräte auch als Werkzeug kennenlernen, dass sie nicht nur zum Konsumieren da sind. Das müssen wir ihnen zeigen. Da kann es gewiss auch nicht schaden, auf die eigene Vorbildfunktion zu achten.